Bericht über die Maßnahmen des Thematischen Netzwerkes Technisches Werken gegen die Kürzung der Unterrichtszeit für Technisches Werken an der NMS.
Prof. Mag. Johannes Lhotka 160312
Im Dezember 2011 wurde der Ministerentwurf für die Überführung der NMS in eine Regelschule zur Begutachtung ausgesandt. In ihm waren technisches und textiles Werken als 2 getrennte Fächer vorgesehen. Im anschließend dem Parlament vorgelegten Gesetz waren die beiden Fächer plötzlich zu einem Fach „Technisches und Textiles Werken“ zusammengelegt.
Kollege Rudi Hörschinger verständigte die Mitglieder der Steuergruppe durch ein Mail am 14.1.2012. Die daraufhin von Lhotka angestellten mühevollen Recherchen im Ministerium ergaben, dass „die Genderabteilung massiv“ diese Zusammenlegung gefordert hatte. Da das Gesetz bereits im Parlament dem Unterrichtsausschuss zugewiesen war, konnte nur noch dort ein Versuch unternommen werden, diese unüberlegte und beide Fächer stark benachteiligende heimliche Änderung rückgängig zu machen.
Die Steuergruppe des Thematischen Netzwerkes Technisches Werken versendete am 31.1.2012 an alle 50 Mitglieder des parlamentarischen Unterrichtsausschusses eine Darstellung des Sachverhaltes mit der Bitte um Intervention im Sinne der Erhaltung des Technischen Werkens im Ausmaß von 2 Wochenstunden.
Von den 6 Antworten, die wir bekamen, waren 2 in unserem Sinne, 2 dagegen und 2 neutral.
Eine zweite Aussendung (siehe unten), bei der die negativen Folgen noch deutlicher herausgestrichen wurden, erging am 21.2.2012 wieder an alle 50 Ausschussmitglieder und zusätzlich an verschiedene Körperschaften (AK, WKO, IV…). Darauf bekamen wir eine positive, eine negative und eine neutrale Antwort.
Weitere Bemühungen gab es von Kollegin Uschi Görlitz, den Kollegen Eckhard Malota, Helmut Pecher, Klaudius Hartl und anderen.
Leider wurden in der Unterrichtsauschusssitzung am 1. 3. 2012 die von einigen Abgeordneten in unserem Sinne eingebrachten Anträge mehrheitlich abgelehnt. Die Zusammenlegung von technischem und textilem Werken an der NMS ist somit beschlossen.
Am 8. März brachte der Abgeordnete Dr. Rosenkranz (FPÖ) einen Entschliessungsantrag im Parlament ein: „Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur werden aufgefordert, unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Fortführung der beiden Pflichtgegenstände ‚Technisches Werken‘
und ‚Textiles Werken‘ auch im Lehrplan der NMS – im gleichen Ausmaß wie bisher im Lehrplan der Hauptschule – zu ermöglichen.“
Es wurde die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss beantragt. Die Beratungen darüber wurden noch nicht aufgenommen.
Anhang: 2. Brief an den Unterrichtsausschuss
Sehr geehrte Frau Abgeordnete …
Sehr geehrter Herr Abgeordneter …
wir erlauben uns, Sie nochmals auf die Gefahr für den Technologiestandort Österreich hinzuweisen, der durch die übereilte Zusammenlegung der beiden Unterrichtsfächer Technisches Werken und Textiles Werken in der Neuen Mittelschule droht. Wir haben unserem Appell zusätzliche Überlegungen angeschlossen, die Ihnen die Folgen dieser Gesetzesänderung zeigen sollen.
Erweiterte Stellungnahme der Steuergruppe des Thematischen Netzwerks Technisches Werken zum Verhandlungsgegenstand
Schulorganisationsgesetz, Schulunterrichtsgesetz, Schulpflichtgesetz 1985, Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, Schulzeitgesetz 1985, Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz (1631 d.B.)
die Neue Mittelschule betreffend
Die Steuergruppe des Thematischen Netzwerks Technisches Werken im Rahmen von IMST (1) macht darauf aufmerksam, dass bei Realisierung dieser Regierungsvorlage die Technische Bildung an der Neuen Mittelschule im Vergleich zur bisherigen Hauptschule mehr als halbiert wird (2) – als Folge der Zusammenlegung der Pflichtfächer Technisches Werken und Textiles Werken zu einem einzigen Fach (§21b.). Im Entwurf zum Gesetz waren diese noch getrennt vorgesehen.
Die daraus resultierende Halbierung der zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit widerspricht ganz und gar allen Forderungen von Industrie, Wirtschaft und Gewerbe nach Ausweitung der Technischen Bildung. Auch tertiäre Bildungseinrichtungen und viele österreichische Forschungseinrichtungen fordern eine vermehrte Technische Allgemeinbildung!
Wir geben zu bedenken, dass in der derzeitigen Situation jede Reduktion der Technischen Bildung sich nachteilig für den Wirtschaftsstandort Österreich auswirkt (Siehe Stellungnahmen und Presseberichte der Industriellenvereinigung, der Wirtschaftskammern, Technischen Universitäten, Ingenieurskammern u. a.).
Bei Zusammenlegung der Fächer kann die bisherige Qualität des Technischen Unterrichts nicht mehr gewährleistet werden. Da der Technische Unterricht maßgeblich zur Berufsentscheidung beiträgt, wird es auch hier zu negativen Auswirkungen kommen (3).
Leider wird Technisches Werken von Entscheidungsträgern oft noch als „Bastelstunde“ missverstanden. Hier werden die wertvolle, auch internationale pädagogische Weiterentwicklung des Faches der letzten Jahre und seine immense Bedeutung für die Zukunft unserer technisch orientierten Gesellschaft ignoriert.
Das moderne Fach Technisches Werken zielt auf die Entwicklung eines umfassenden, neuen Technikverständnisses für alle Lebensbereiche. Erarbeitet werden dabei Lösungen für anstehende technische Problemstellungen aus den Bezugsfeldern Design, Architektur und Technik. Diese Lösungen werden handlungs- und prozessorientiert in Theorie und Praxis umgesetzt, wobei Technologien vom Handwerkzeug bis zum computergesteuerten 3D-Printer eingesetzt werden.
Mädchen sind verstärkt an die Technik heranzuführen! Ohne zielorientierte Rahmenbedingungen für eine zukunftssichere Lösung ist dieses überhastete Zusammenlegen der Fächer aber eine nur schwer wieder gut zu machende Fehlentscheidung für den Wirtschaftsstandort Österreich. (4)
Die Steuergruppe des Thematischen Netzwerks Technisches Werken ersucht Sie daher dringlich, sich für mindestens je 2 Stunden Technisches Werken pro Woche von der 5. bis zur 8. Schulstufe an der Neuen Mittelschule einzusetzen. Auch schulautonome Regelungen dürfen zu keiner Reduktion der Technischen Bildung führen! Im Gegenteil, der Technische Unterricht ist zur Förderung des Wirtschaftsstandortes Österreich auszubauen!
Hochachtungsvoll
Prof. Mag. Johannes LHOTKA, TN-TEW, Obmann Förderverein Technische Bildung www.werken.at
o. Univ. Prof. Mag. Horst BASTING, TN-TEW, Kunstuniversität Linz, Abteilung Werkerziehung
Mag. Ursula GÖRLITZ, TN-TEW, NMS Lernwerkstatt Donaustadt
Prof. Mag. Dr. Klaudius HARTL, TN-TEW, PH Diözese Linz
Prof. Stefan HOCHWIND, TN-TEW, PH Diözese Linz
Prof. Mag. Rudolf HÖRSCHINGER, TN-TEW, PH Salzburg
Prof. Mag. Eckhard MALOTA, TN-TEW, BRG Baden, Portalbetreuer tew.schule.at
Prof. Mag. Erwin NEUBACHER, TN-TEW, Universität Mozarteum Salzburg, Fachbeauftragter für TEW des BÖKWE, Vorstandsmitglied des Vereins Architektur-Technik+Schule
VOL Dipl. Päd. Regina RAFFETSEDER, TN-TEW, Multiplikatorin des LP für Volksschulen
Prof. Mag. Leopold SCHOBER, TN-TEW, PH Niederösterreich, BÖKWE Niederösterreich
HS Prof. Rainer STURM, TN-TEW, Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems, Vorsitzender der Fachgruppe TW der ProfessorInnen an PHs.
Prof. Mag. Silvia WIESINGER, TN-TEW, PH Oberösterreich
Mag. Timo FINKBEINER, TN-TEW, Sonderschule, Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems
(1) Das Thematischen Netzwerk Technisches Werken hat die Aufgabe, alle mit der Technischen Bildung befassten Personen und Institutionen der österreichischen Bildungslandschaft zu vernetzen.
IMST ist ein flexibles Unterstützungssystem im österreichischen Bildungswesen. Ziel ist es, eine Innovationskultur zur Stärkung des MINDT-Unterrichts (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Deutsch, Technik) an österreichischen Schulen zu etablieren und strukturell zu verankern.
(2) Ausmaß der Reduktion der Technischen Bildung in der NMS durch die aktuelle Regierungsvorlage:
Technisches Werken (Bandbreite durch Schulautonomie) | Derzeitiger Stand an Hauptschulen | Stand nach Zusammenlegung durch Regierungsvorlage (NMS) |
Gesamtstundenanzahl von der 5. bis zur 8. Schulstufe |
280 – 480 |
120 – 160 |
Wochenstunden / Jahr | 2 – 3 | 0,75 – 1 |
(3) Der Einsatz von 2 LehrerInnen in den Hauptfächern der NMS bedingt, dass alle fachgeprüften Technischen WerklehrerInnen verstärkt in ihren Hauptfächern (D, E, M) eingesetzt werden müssen und daher keine Technischen Werkklassen mehr unterrichten können! Textiles Werken hingegen wird von Lehrkräften mit der Ausbildung zu Textiles WE und Ernährung & Hauswirtschaft unterrichtet. Diese LehrerInnen haben keine Hauptfachausbildung (in D, E, M), dürfen daher auch nicht in diesen Fächern eingesetzt werden. Durch die Streichung des Pflichtfaches Ernährung und Hauswirtschaft in der NMS können diese pragmatisierten Lehrerinnen nur mehr im Textilunterricht eingesetzt werden. Die ihnen zur Vollbeschäftigung noch fehlenden Stunden müssen durch Technisches Werken aufgefüllt werden, WOFÜR SIE KEINE AUSBILDUNG HABEN.
Alle bisherigen Bemühungen um eine qualitative Technische Bildung werden damit konterkariert!
(4) Eine dieser Rahmenbedingungen z.B. ist die durchgängige Führung des Technischen Werkens. Da die SchülerInnen im ersten Halbjahr erst grundlegende Werkzeug- und Materialerfahrungen machen müssen (Stichwort Gameboy – Generation), können nachhaltige Lernziele erst in der zweiten Schuljahreshälfte erreicht werden. Die dadurch nicht linear verlaufende Lernkurve geht hier viel steiler nach oben. Wenn jetzt aber abgebrochen werden muss, um im zweiten Semester mit Textilem Werken zu beginnen, kann in beiden Fächern nur inferiores Anfängerniveau erreicht werden.
Seit einigen Jahren wird an mehreren Schulstandorten in Österreich daran gearbeitet, das Technische Werken in die Oberstufe mit Matura weiterzuführen. Die Konzepte und Erfahrungen werden österreichweit ausgetauscht und diskutiert (design-architektur-technik (dat), DeArTe, Technikwerkstatt, …). Allen Modellen gemeinsam ist die enge Zusammenarbeit mit außerschulischen Facheinrichtungen (Betrieben, Interessensvertretungen, Universitäten, Fachhochschulen, designaustria, arch+ing, …).
Dass ein Oberstufenfach Technisches Werken besonders auch für Mädchen attraktiv ist, zeigt der hohe Mädchenanteil. Am Wirtschaftskundlichen Bundesrealgymnasium Salzburg sind im Wahlpflichtfach „design-architektur-technik“ (dat) über alle Jahrgänge verteilt ca. 50% der SchülerInnen Mädchen. In der heurigen ersten Maturaklasse haben zudem 4 Schülerinnen eine Fachbereichsarbeit verfasst.